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Räumen selbstbewusster zu sein, da der soziale Gruppendruck wegfällt, und sich aktiver am Lern-
prozess zu beteiligen.
In diesem Zusammenhang kommt auch die praktische Komponente ins Spiel: SEN-Lernende brau-
chen für bestimmte Übungen länger als andere und müssen sie öfter wiederholen, bis der Lernef-
fekt einsetzt. Dies ist beim analogen Lernen nicht immer möglich, weil oft einfach die Zeit dafür
fehlt oder Lernmaterialien nicht immer über einen längeren Zeitraum zur Verfügung stehen (z.B.
Maschinen im WBL). Auch hier löst VR das Problem ganz einfach: in der virtuellen Welt können
SEN-Lernende völlig unabhängig von Ort und Zeit endlos Übungen machen oder Aufgaben in ihrem
Tempo wiederholen, ohne jeglichen sozialen Druck durch eine Gruppe. Und das Beste ist: Wenn
die Hard- und Software einmal angeschafft ist und die Lernenden weitgehend selbstständig damit
arbeiten können, fallen keine weiteren Kosten an, egal wie oft und wie lange man damit lernt und
übt, was in der analogen Welt weder möglich noch bezahlbar wäre.
Die Anwendbarkeit von VR scheint nicht auf eine bestimmte Gruppe von SEN-Lernenden be-
schränkt zu sein; die Fokusgruppen sehen Möglichkeiten für jede Art von geistiger, intellektueller,
körperlicher oder motorischer Behinderung. In diesem Zusammenhang werden jedoch auch kriti-
sche Stimmen laut und es wird vor Schwächen und möglichen Nachteilen bei der Arbeit mit VR
gewarnt. Gerade bei der Arbeit mit jüngeren Menschen und/oder Menschen mit psychischen oder
geistigen Einschränkungen sollte man die negativen Auswirkungen einer verblüffend real wirken-
den virtuellen Welt nicht unterschätzen. Sie kann zu Angstzuständen, völliger Selbstüberschätzung,
Verlust der realen räumlichen Orientierung und vielem mehr führen. Die Folgen können die völlige
Irritation der Lernenden sein und es kann zu Unfällen kommen (z.B. wenn man sich unkontrolliert
und ohne Wahrnehmung der Realität durch reale Räume bewegt). Neben den realen Gefahren
sind auch die rechtlichen und physikalischen Rahmenbedingungen zu beachten: Ohne die Zustim-
mung der Erziehungsberechtigten dürfen viele Lerngruppen nicht dem Stress der VR ausgesetzt
werden und viele der Headsets sind noch zu schwer, so dass sie bei längerem Tragen (schon ab 10
min) zu muskulären Beschwerden im Nackenbereich, Kopfschmerzen etc. führen können.
Wir verfolgen in unserer Arbeit generell einen offenen, inklusiven Ansatz und entwickeln Lernma-
terialien, die im Unterricht mit allen Lernenden eingesetzt werden können, unabhängig davon,
welche besonderen Bedürfnisse oder Beeinträchtigungen er/sie hat. Unsere Aufgabe sollte es sein,
die Lehrkräfte in der beruflichen Bildung mit der VR-basierten Lernmethode so weit vertraut zu
machen, dass sie schließlich in der Lage sind, VR in ihren Unterricht zu integrieren, immer zuge-
schnitten auf die Bedürfnisse ihrer Lernenden. Dennoch möchten wir an dieser Stelle alle,
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